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Ein Strafgefangener legt Verfassungsbeschwerde ein. Im Prinzip kein seltener Vorgang. Verfassungsbeschwerden sind häufig der letzte Weg, um seiner eigenen Sache Gehör zu verschaffen. Doch dieser Fall ist besonders. Denn es ging um die Höhe der Telefongebühren in einer JVA in Schleswig-Holstein. Das war neu.
Was war geschehen?
Der Gefangene saß seit Ende 2014 in Haft. Es ist üblich, dass Insassen aus der Haft telefonieren, aber keine eigenen Telefone besitzen dürfen. Die JVA hat daher eine Telefonanlage, die von einem privaten Anbieter betrieben wird. Insassen, die telefonieren wollen, müssen diese Anlage benutzen. Der private Anbieter wechselte Mitte 2015 den Tarif, sodass ein Spezialangebot (monatlicher Extra-Betrag, 50% Reduzierung der Tarifeinheit) wegfiel. Dies missfiel dem Strafgefangenen, der eine Anpassung unter Wahrung seiner finanziellen Interessen beantragte gem. § 3 Abs. 1 StVollzG. Die JVA lehnte unter Verweis auf marktgerechte Preise ab. Das Landgericht Lübeck bestätigte die Auffassung der Anstalt. Dabei wurde kein Gutachten eingeholt.
Der Gefangene legte eine Rechtsbeschwerde ein und verwies erneut auf günstigere Anbieter von Gefangenentelefonie. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht verwarf im Herbst 2016 die Rechtsbeschwerde als unbegründet. Gegen die Entscheidung des OLG legte der Gefangene Verfassungsbeschwerde ein. Er rügte die Verletzung von Art. 5, Art. 6 und Art.19 Abs. 4 GG sowie des Angleichungsgrundsatzes als Ausprägung des Resozialisierungsgrundsatzes.
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Und was sagt das Bundesverfassungsgericht?
Es gab dem Strafgefangenen Recht. Und zwar wegen einer Verletzung von dessen allgemeinem Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG. Die angegriffene Entscheidung des OLG trägt laut Verfassungsgericht den aus dem Resozialisierungsgebot erwachsenden Anforderungen an die Wahrung der finanziellen Interessen von Strafgefangenen nicht hinreichend Rechnung. Die Fürsorgepflicht der JVA gebietet es, die finanziellen Interessen der Gefangenen zu wahren. Denn die Missachtung dieser Interessen ist mit dem verfassungsrechtlich verankerten Resozialisierungsgebot unvereinbar.
Dabei muss die JVA das Telefon nicht unentgeltlich einräumen. Denn die Verhältnisse im Strafvollzug dürfen den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst sein, § 3 Abs. 1 StVollzG. Jedoch dürfen die Telefongebühren auch nicht deutlich über dem liegen, was allgemein auch außerhalb der JVA gezahlt werden müsste. Das Verfassungsgericht erkannte auch, dass aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die negativen Auswirkungen einer Strafe auf die Persönlichkeit des Gefangenen nach Möglichkeit minimiert werden sollten.
Dabei spielte es keine Rolle, dass das Telefon von einem privaten Anbieter betrieben wurde. Die JVA (und der Staat allgemein) darf sich der eigenen Verpflichtungen nicht entledigen, indem es private Dritte einschaltet.
Fazit
Das Bundesverfassungsgericht stärkt richtigerweise die Rechte von Strafgefangenen. Das Leben im Vollzug ist bereits stark eingeschränkt. Es ist nicht hinnehmbar, dass Gefangene überzogene Telefongebühren zahlen müssen. Das OLG muss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verfassungsgericht erneut über die Sache entscheiden. Es ist zu erwarten, dass die Entscheidung nunmehr zugunsten des Gefangenen ausfällt.
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