shutterstock 1779548423 Converted 01 3 cutout1 - Advofleet Rechtsanwalt24

Pflichtverteidiger im Strafverfahren – Was Sie wissen sollten

Zuletzt aktualisiert am
image 1 - Advofleet Rechtsanwalt24
Das Wichtigste in aller Kürze
  • Ein Pflichtverteidiger wird bestellt, wenn ein Fall sogenannter notwendiger Verteidigung gemäß § 140 der Strafprozessordnung (StPO) vorliegt.
  • Typischerweise ist das der Fall, wenn schwere Straftaten im Raum stehen oder eine hohe Freiheitsstrafe droht.
  • Die Kosten für die Pflichtverteidigung trägt zunächst der Staat. Bei einer Verurteilung werden diese jedoch vom Beschuldigten zurückgefordert.
  • Die Bestellung eines Pflichtverteidigers erfolgt grundsätzlich durch das Gericht. Dabei kann der Beschuldigte auch einen bevorzugten Verteidiger vorschlagen.
  • Im Falle eines Strafvorwurfs gilt generell: Eine frühzeitige Beratung durch einen erfahrenen Strafverteidiger ist unerlässlich, um Ihre Verteidigung maßgeblich zu stärken.

Wenn plötzlich die Polizei vor der Tür steht

Wer beschuldigt wird, eine Straftat begangen zu haben, sieht sich oft völlig unvorbereitet mit einem Strafverfahren konfrontiert. Die Situation ist sowohl aus rechtlicher als auch aus emotionaler Sicht sehr belastend. Ohne juristische Kenntnisse ist es für Beschuldigte kaum möglich, sich effektiv gegen die Vorwürfe zu verteidigen. Besonders problematisch: Beschuldigte haben kein Recht auf Akteneinsicht und wissen oft nicht einmal genau, was ihnen vorgeworfen wird. Dabei ist das gerade die Grundlage jeder effektiven Verteidigungsstrategie. In komplexeren Fällen oder bei schweren Vorwürfen ist eine Verteidigung ohne anwaltliche Hilfe praktisch unmöglich. Doch was, wenn das Geld für einen Anwalt fehlt?

In bestimmten Fällen kommt dann die sogenannte Pflichtverteidigung ins Spiel. In diesem Beitrag erklären wir Ihnen, wann ein Pflichtverteidiger bestellt wird, wie das Verfahren abläuft und wer die Kosten für eine solche Pflichtverteidigung trägt.

Wann wird ein Pflichtverteidiger bestellt?

Ein Pflichtverteidiger wird immer dann bestellt, wenn eine sogenannte notwendige Verteidigung vorliegt. Das bedeutet: Das Strafverfahren darf in bestimmten Fällen ohne anwaltlichen Beistand gar nicht durchgeführt werden. Die Strafprozessordnung zählt in § 140 StPO mehrere Konstellationen auf, in denen eine Verteidigung durch einen Anwalt zwingend vorgeschrieben ist.

Den Fällen ist gemein, dass dem Beschuldigten besondere Eingriffe in seine Rechte drohen oder er ohne anwaltliche Unterstützung enorm in seiner Verteidigung eingeschränkt wäre. Typische Fälle der notwendigen Verteidigung sind:

Dem Beschuldigten wird ein Verbrechen zu Last gelegt.

Weiterhin wird die Verteidigung dann als notwendig angesehen, wenn der Vorwurf eines Verbrechens im Raum steht. Von einem Verbrechen spricht man dann, wenn das Gesetz im Mindestmaß eine Freiheitsstrafe von einem Jahr vorsieht. Das ist beispielsweise bei einem Raub gemäß § 249 StGB oder bei einer schweren Körperverletzung gemäß § 226 StGB der Fall.

Dem Beschuldigten droht Untersuchungshaft oder eine andere Maßnahme.

Sobald der Beschuldigte in Untersuchungshaft genommen oder vorläufig in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht wird, ist ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Gleiches gilt, wenn eine Maßregel der Besserung und Sicherung – etwa die dauerhafte Unterbringung in einer Entziehungsanstalt – im Raum steht.

Der Beschuldigte ist offensichtlich verteidigungsunfähig.

Ist der Beschuldigte aufgrund psychischer oder geistiger Beeinträchtigungen offensichtlich nicht in der Lage, sich selbst zu verteidigen, muss ebenfalls ein Verteidiger beigeordnet werden.

image 36 - Advofleet Rechtsanwalt24

Der Fall weist eine schwierige Sach- oder Rechtslage auf.

Ein weiterer typischer Fall notwendiger Verteidigung liegt vor, wenn die Tat oder die drohende Rechtsfolge besonders schwer wiegt oder wenn die Sach- oder Rechtslage so komplex ist, dass dem Beschuldigten ohne anwaltliche Unterstützung keine wirksame Verteidigung möglich wäre. Auch im Rechtsmittelverfahren – also bei Berufung oder Revision – kann damit ein Fall notwendiger Verteidigung vorliegen.

Die Zuständigkeit liegt bei dem Oberlandesgericht, Landgericht oder Schöffengericht.

Ein Fall notwendiger Verteidigung liegt insbesondere dann vor, wenn zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht, Landgericht oder Schöffengericht stattfindet. Mit einer derartigen Zuständigkeit liegt schon automatisch ein Fall der notwendigen Verteidigung vor.

Welches Gericht bei einem Strafverfahren zuständig ist, richtet sich nach der Straferwartung für die begangenen Taten. Je nachdem, welche Strafe bei vorläufiger Bewertung zu erwarten ist, ergibt sich die sachliche Zuständigkeit für:

  • Strafrichter beim Amtsgericht:
    Bei einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren besteht in der Regel keine Pflichtverteidigung allein aufgrund des zuständigen Gerichts. Die Erforderlichkeit der Pflichtverteidigung kann sich allerdings auch hier aus anderen Umständen ergeben.
  • Schöffengericht beim Amtsgericht:
    Wenn die Straferwartung zwischen mehr als 2 und bis zu 4 Jahren liegt, ist Pflichtverteidigung erforderlich.
  • Landgericht:
    Auch bei einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von mehr als 4 Jahren oder bei bestimmter, aufgelisteter Straftaten (z.B. Mord, Totschlag) ist Pflichtverteidigung geboten.
  • Oberlandesgericht (z.B. Staatsschutzsachen):
    Hier besteht immer Pflichtverteidigung, unabhängig von der Straferwartung.
Zum Vergleich:

Im Zivilrecht gibt es keine Pflichtverteidigung. Hier kann bei Bedürftigkeit
Prozesskostenhilfe beantragt werden. Diese soll gewährleisten, dass auch Personen mit geringem Einkommen ihre Rechte vor Gericht wirksam geltend machen können.

Einzelfallprüfung durch das Gericht

Ob ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt, prüft das zuständige Gericht stets im konkreten Einzelfall. Dabei spielen sowohl die Schwere des Tatvorwurfs als auch die rechtlichen Auswirkungen auf den Beschuldigten eine entscheidende Rolle. Maßgeblich ist insbesondere, wie stark in die Rechte des Beschuldigten eingegriffen wird, etwa durch drohenden Freiheitsentzug.

Pflichtverteidigung abhängig von finanziellen Mitteln?

Die Bestellung eines Pflichtverteidigers hängt nicht davon ab, ob der Beschuldigte mittellos ist. Anders als im Zivilverfahren spielen die Einkommensverhältnisse im Strafverfahren keine Rolle. Entscheidend ist allein, ob einer der gesetzlichen Gründe für eine notwendige Verteidigung vorliegt. In diesen Fällen wird die Mitwirkung eines Verteidigers durch das Gericht verpflichtend angeordnet, um ein faires Verfahren sicherzustellen.

image 4 - Advofleet Rechtsanwalt24
Mehr als 50.000 Menschen vertrauen uns

Wir konnten bisher bundesweit mehr als 50.000 Menschen bei ihren rechtlichen Anliegen helfen.

Wir antworten innerhalb von 24 Stunden

Bei uns warten Sie nicht auf einen Beratungstermin, sondern erhalten Ihre Einschätzung sofort.

Unser Service ist „hervorragend“

Unsere Kundschaft hat unsere Beratung und unseren Einsatz bewertet – das Ergebnis macht uns stolz.

Wie läuft die Bestellung eines Pflichtverteidigers ab?

Stellt das Gericht einen Fall notwendiger Verteidigung fest, ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers zwingend erforderlich. Diese hat spätestens mit dem Eröffnungsbeschluss der Hauptverhandlung zu erfolgen, kann jedoch auch schon früher notwendig sein, etwa bei Anordnung von Untersuchungshaft oder anderen einschneidenden Maßnahmen.

Zunächst erhält der Beschuldigte die Möglichkeit, selbst einen Verteidiger zu benennen. Wird dieser Wunsch geäußert, kann der benannte Anwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet werden. Wird kein Verteidiger benannt, wählt das Gericht einen Anwalt aus. Dies erfolgt in der Regel aus einer Liste regional tätiger Strafverteidiger. Die Bestellung erfolgt durch gerichtlichen Beschluss, der dem Beschuldigten ebenfalls mitgeteilt wird.

Nach der Bestellung setzt sich der Pflichtverteidiger mit dem Mandanten in Verbindung, beantragt Einsicht in die Ermittlungsakte und macht sich ein erstes Bild von den Vorwürfen. Auf dieser Grundlage beginnt er mit der Entwicklung einer Verteidigungsstrategie. Auch im Rahmen der Pflichtverteidigung ist eine vertrauensvolle und offene Zusammenarbeit zwischen Mandant und Verteidiger entscheidend für den Erfolg.

Ist ein Wechsel des Pflichtverteidigers möglich?

Ein Wechsel des Pflichtverteidigers ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich und in § 143a StPO geregelt. Er kommt etwa in Betracht, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem nachhaltig gestört ist oder aus anderen Gründen keine ordnungsgemäße Verteidigung mehr gewährleistet werden kann. Persönliche Antipathie oder einfache Unzufriedenheit reichen hierfür jedoch nicht aus. Besteht Einvernehmen zwischen dem bisherigen und dem gewünschten Verteidiger sowie dem Beschuldigten, kann das Gericht einem Wechsel zustimmen. Über den Antrag entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen.

image 6 - Advofleet Rechtsanwalt24

Wer trägt die Kosten der Pflichtverteidigung?

Ein verbreiteter Irrtum ist, dass die Pflichtverteidigung für Beschuldigte immer kostenlos sei. Tatsächlich übernimmt der Staat zunächst die Kosten der Verteidigung – unabhängig von der finanziellen Lage der betroffenen Person. Allerdings entscheidet das Gericht am Ende des Verfahrens, wer die Kosten letztlich zu tragen hat:

  • Bei einer Verurteilung muss der oder die Verurteilte in der Regel auch die Kosten der Pflichtverteidigung sowie die übrigen Verfahrenskosten erstatten.
  • Bei einem Freispruch oder einer Verfahrenseinstellung zulasten der Staatskasse verbleiben die Kosten beim Staat.

Die Vergütung des Pflichtverteidigers richtet sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Sie fällt in der Regel niedriger aus als bei einem selbst gewählten Verteidiger.

Häufig gestellte Fragen

Die Pflichtverteidigung wird vom Gericht bestellt, wenn bestimmte Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung nach § 140 StPO vorliegen. Im Gegensatz dazu kann man bei der Wahlverteidigung selbst einen Anwalt aussuchen. Dennoch besteht auch bei Pflichtverteidigung die Möglichkeit, dem Gericht einen bestimmten Anwalt vorzuschlagen, der dann als Pflichtverteidiger bestellt werden kann.

Nein, ein Pflichtverteidiger ist kein staatlicher Anwalt. Er ist genauso unabhängig wie ein Wahlverteidiger und verpflichtet, ausschließlich die Interessen seines Mandanten zu vertreten. Er hat alle gleichen Rechte und Pflichten wie ein frei gewählter Strafverteidiger.

Der Beschuldigte hat unter anderem das Recht auf ein faires Verfahren, das Schweigerecht, rechtliches Gehör sowie das Recht auf Akteneinsicht durch seinen Verteidiger. Außerdem kann er jederzeit einen Verteidiger hinzuziehen und muss an wichtigen Verfahrensschritten beteiligt werden. Auch der Schutz vor unzulässiger Beweisverwertung ist gewährleistet.

Ein Pflichtverteidiger wird bestellt, wenn das Gericht feststellt, dass eine notwendige Verteidigung vorliegt, zum Beispiel bei schweren Vorwürfen oder wenn Untersuchungshaft droht. Die Bestellung erfolgt spätestens mit dem Eröffnungsbeschluss der Hauptverhandlung, kann aber auch früher notwendig sein.

Ja, bevor das Gericht selbst einen Pflichtverteidiger auswählt, kann der Beschuldigte einen Anwalt seiner Wahl benennen. Das Gericht bestellt diesen dann, sofern der Anwalt bereit ist, die Verteidigung zu übernehmen.

Nach der Bestellung nimmt der Pflichtverteidiger Kontakt zum Mandanten auf, beantragt Akteneinsicht und beginnt mit der Prüfung der Vorwürfe. Anschließend bereitet er die Verteidigungsstrategie vor und arbeitet dabei eng mit dem Mandanten zusammen, um eine effektive Verteidigung sicherzustellen.

Eine erfolgreiche Verteidigung beginnt frühzeitig mit anwaltlichem Beistand, idealerweise schon im Ermittlungsverfahren. Achten Sie darauf, einen erfahrenen und spezialisierten Strafverteidiger zu wählen, arbeiten Sie aktiv mit Ihrem Verteidiger zusammen und kommunizieren Sie offen und ehrlich, um die beste Verteidigungsstrategie zu entwickeln.

 

shutterstock 1959831382 Converted Kopie - Advofleet Rechtsanwalt24
Benötigen Sie rechtliche Unterstützung?

Ähnliche Artikel